Autor:Karin Wenger Montag, 20.09.2021, 23:54 Uhr
«Es Buurebüebli mani nid, dass gseht me mir wohl a – juhe!» singen ein paar Männer und Frauen in der Altersresidenz Lotuswell in Hua Hin. Die Klänge aus der Heimat schweben über dem tropischen Garten der Anlage, die Bungalows und bis zum Pool.
Dort sitzt der 64-jährige Rentner Richard Gruenig auf seinem Liegestuhl und sonnt sich. Er ist vor zwei Jahren aus Zürich nach Thailand ausgewandert, weil er sich nicht habe vorstellen können, in der Schweiz alt zu werden. Was ein Leben im Altersheim bedeute, habe er bei seinem Vater gesehen: «Es ist teuer, und viele Leute vereinsamen und warten nur noch auf den Tod», sagt der ehemalige Hortleiter. Deshalb wollte er weg, solange er noch gesund war. Er entschied sich für Thailand, weil er hier für dasselbe Geld mehr bekomme als in der Schweiz und weil er das kalt-nasse Wetter satthatte.
Knapp 10’000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer leben in Thailand, mehr als die Hälfte von ihnen sind über 60 Jahre alt. Die Küstenstadt Hua Hin am Golf von Thailand ist besonders beliebt bei Schweizer Rentnern. Die Altersresidenz Lotuswell, in der ungefähr 200 Schweizerinnen und Schweizer sowie Deutsche leben, gehört zu den luxuriösesten und schönsten Alterssiedlungen in Hua Hin. Jeden Morgen gibt es Aquafit im Gemeinschaftspool und viele der Seniorinnen und Senioren spielen Golf.
Teure Leasingverträge knüpfen an Mindestaufenthalt
Der Chor vom Lotuswell hat inzwischen ein neues Schweizer Lied angestimmt. Es klingt harmonisch, doch auch Misstöne gibt es.
Sie werden von anderen Senioren, die längst nicht mehr hier wohnen, geäussert. Sie sprechen von Knebelverträgen und dass sie von ihren eigenen Landsleuten abgezockt worden seien.
So zahlte eine der ersten Seniorinnen, die 2007 im Lotuswell einzog, rund 100’000 Franken für ihre Wohnung. Doch damit gehörte ihr diese nicht, denn im Lotuswell kann man weder eine Wohnung kaufen noch mieten, sondern muss für eine Dauer von mindestens 15 Jahren das Wohnrecht leasen. Wer früher auszieht, erhält nur einen Teilbetrag zurück. Zudem ist vertraglich festgehalten, dass die Wohnung an die Schweizer Familie Steger aus dem Thurgau, als Besitzer des Resorts, zurückgehen muss.
Die Seniorin, die 2007 ihren Lease abschloss und anonym bleiben will, entschied sich im vergangenen Juni wegen Corona und den Reiserestriktionen, in die Schweiz zurückzukehren. Laut Vertrag bekam sie nur noch 40’000 ihrer geleisteten 100’000 Franken zurück. Die gleiche Wohnung verleasten die Besitzer nun für mehr als 200’000 Franken an andere Pensionäre.
«Ja, das ist sicher ein gutes Geschäft für uns», sagt Emanuel Steger, der Sohn des Resort-Gründers Cornelius Steger, bei einem Treffen im Lotuswell. Doch um sicherzustellen, dass Lotuswell eine deutschsprachige Residenz bleibe, sei es notwendig, dass sie die Wohnungen weder verkauften noch vermieteten, sagt Steger: «Sonst haben wir auf einmal junge Familien mit Kindern, Chinesen, Russen, Pakistanis oder Inder hier. In einer deutschsprachigen Gemeinschaft würde das nicht funktionieren.»
Probewohnen und sich informieren ist unerlässlich
Im Manora Village, etwas ausserhalb von Hua Hin, leben Schweizer neben Skandinaviern, Deutschen und anderen Nationen. Das Resort wurde von Walter Camenisch und seiner Familie gegründet, 2007 zogen die ersten Bewohner ein und heute besteht es aus 100 Häusern, viele mit einem Privatpool und grossem Garten.
Der Bündner verkauft oder vermietet seine Häuser. Er warnt Auswanderer vor einem vorschnellen Kauf bei verlockend tiefen Preisen: «In den letzten Jahren tummeln sich viele Leute auf dem Markt, die schnell was verdienen wollen. Darunter ist auch vieles, das nicht legal ist.» In Hua Hin existieren gleich mehrere Projekte, bei denen Käufer geprellt wurden, weil die Bauherren in der Bauphase Pleite gingen und das versprochene Paradies nie oder nur teilweise gebaut wurde.
Trotzdem ziehen viele Senioren, die auswandern, ein Resort einer privaten Wohnung oder einem frei stehenden Haus vor. Sie sprächen oft kein Thailändisch und manchmal nur schlecht Englisch und wären überfordert, wenn sie sich selbst um eine Wohnung, ein Haus oder um die Erneuerung der Aufenthaltsgenehmigung kümmern müssten, erklärt Camenisch.
Im Manora Village, so wie in vielen anderen der Alterssiedlungen, übernimmt die Verwaltung diese Aufgaben. Damit der tropische Traum nicht zum Albtraum wird, empfiehlt Camenisch, sich gut zu informieren und wenn möglich probezuwohnen, bevor man auswandert.
Genau das hat auch das Rentner-Ehepaar Monica und Walter Rotach aus Biel gemacht, bevor es vor sieben Jahren eine Villa im Manora Village kaufte und auswanderte. Im Zuhause der Rotachs, einem grossen Haus mit Privatpool, riecht es wie in einer Bäckerei und zum Kaffee fehlt auch der selbstgemachte Zimtschnegg nicht.
Die Rotachs haben es nie bereut, dass sie ausgewandert sind. In der Schweiz sei man als Pensionär eine halbe Person, und das Leben sei voller Einschränkungen, sagt Walter Rotach: «Man kriegt Bussen und darf kaum was machen. Hier jedoch geniessen wir viel Freiheit, auch wenn manche sagen, wir wohnten in einer Diktatur.» Monica Rotach empfiehlt allen, die ans Auswandern denken, die Hektik und Swissness Zuhause zu lassen.
Stolpersteine Krankenkasse und Bankkonten
Nicht alle Schweizer Auswanderer wohnen in einem Resort. Das ehemalige Wirte-Ehepaar Ueli und Martina Grossenbacher ist vor fünf Jahren nach Thailand ausgewandert und hat sich für eine Wohnung in der Stadt entschieden. In einem Resort sässen zu viele Schweizer zu nahe aufeinander, sagen die Grossenbachers, die ebenfalls wegen der Wärme und den tieferen Preisen ausgewandert sind.
Als sie sich in der Schweiz ab- und in Thailand anmeldeten, merkten sie jedoch, dass nicht alles billiger wird: «Es ist schwierig, eine Krankenkasse zu finden, die dich im Ausland versichert und bezahlbar ist. Unsere hätte 850 Franken im Monat gekostet, das konnten wir uns nicht leisten», sagt Ueli Grossenbacher. Deshalb sind er und seine Frau nun nicht krankenversichert.
Das grösste Problem von Schweizer Auswanderern seien die Krankenkassen, bestätigt auch Beatrice Gurini, die Präsidentin der Swiss Society, also dem Schweizer Club in Hua Hin: «Wenn du 65 Jahre alt bist und an Diabetes leidest, nimmt dich praktisch keine Krankenkasse hier, und internationale Krankenkassen sind teuer. Viele ältere Schweizer, die in Thailand leben, haben deshalb gar keine Krankenkasse – obwohl auch hier die Spitäler nicht mehr so billig sind.»
Wenn du 65 Jahre alt bist und an Diabetes leidest, nimmt dich praktisch keine Krankenkasse hier, und internationale Krankenkassen sind teuer. Viele ältere Schweizer, die in Thailand leben, haben deshalb gar keine Krankenkasse.Autor:Beatrice GuriniPräsidentin der Swiss Society in Hua Hin
Ein weiteres Problem seien die Bankkonten. Die Schweizer Grossbank UBS beispielsweise hat ihre Kontoführungsgebühren für Kunden mit Sitz in Thailand Anfang Jahr massiv erhöht und verrechnet jetzt 330 Franken pro Monat. Die UBS begründet dies mit gestiegenen Anforderungen und Kosten im grenzüberschreitenden Bankgeschäft. Bei der CS ist es bedeutend günstiger. Ihre Schweizer Kundinnen und Kunden mit Wohnsitz in Thailand zahlen 40 Franken im Monat. Eine Bankverbindung in die Schweiz zu halten, kann also teuer werden. Die Bank zu wechseln ist jedoch selbst als Schweizer schwierig, wenn man sich in der Heimat abgemeldet hat.
Thailändische Frauen als neue Liebe
Wer im Alter nach Thailand auswandere, dürfe das deshalb nicht blauäugig tun, warnt Gurini. Und wenn’s ums Geld gehe, müssten Schweizer Männer in Thailand besonders vorsichtig sein: «Die Schweizer sind ja sehr beliebt, da sie die höchste Rente von allen haben.» Das wüssten auch die thailändischen Frauen, sagt Gurini, die erst vor kurzem zwei Schweizer bei der Polizei abholen musste, die von ihren thailändischen Frauen ausgenommen worden waren und nichts mehr besassen.
In der Altersresidenz Lotuswell wurde auch der 64-jährige Richard Gruenig vor den thailändischen Frauen gewarnt. Er liess sich nicht abschrecken und verliebte sich auf dem Golfplatz in seine 20 Jahre jüngere Golf-Caddy. Wichtig seien klare Abmachungen, sagt der Rentner. Deshalb habe er ihr gesagt: «Ich bin bereit, dir einen gewissen Betrag zu bezahlen, aber ich bin kein Bankomat.» Er zahle ihr jetzt ein Taschengeld, das so hoch sei wie ihr monatliches Einkommen auf dem Golfplatz.
Als Mann glaube man natürlich immer, dass die eigene Freundin anders sei, sagt Gruenig: «Ich würde sagen, meine Freundin bleibt nicht nur wegen des Geldes bei mir.» Aber sicher sein, könne er sich natürlich nicht, sagt der Auswanderer – nur vorsichtig.